XIX. Das mit dem Aufstehen

Waikato River
August 4th, 2013
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„Was hilft aller Sonnenaufgang, wenn wir nicht aufstehen?“
Georg Christoph Lichtenberg
 

Eine urige Person hat mir einmal eine Karte geschenkt, auf der steht: „Der frühe Vogel kann mich mal.“ Der Morgen ist mir wahrlich fremd, jeden Tag aufs Neue. Der Abend kann mir dafür nicht lang genug sein, noch nicht einmal für die Arbeit. Fabian und Finia hingegen lieben den Morgen. Kaum dass er heran bricht, kribbeln ihnen Hummeln im Hintern und sie schmeißen die Decken zurück. In Deutschland lässt sich das dank Rollläden mit drei L hinauszögern und ich liege, bis ich wirklich aufstehen muss.

Für Monate im Zelt zu leben, ist eine neue Welt: Aufstehen mit der Sonne und schlafen gehen, sobald sich die Erde weiter dreht, im ewigen Kreislauf um die Sonne. Hell, dunkel. Tag, Nacht. Das Leben in Tagen mit klar definiertem Anfang und Ende ist anders als das in Deutschland – ein Leben mit langen, vergähnten Nächten am Schreibtisch, verzweifelten Bemühungen, aus dem sich neigenden Tag ein paar weitere Stunden zu kitzeln. Ein Leben mit verstohlenen Mittagsschläfen am Tag danach, um die Augenringe zu mindern und das Gähnen zu stoppen. Ein Leben in regelmäßiger Unregelmäßigkeit.

Hier im Zelt lerne ich den Morgen lieben und Fabian und Finia den Abend. Die Augen öffnen mit den ersten Sonnenstrahlen, die sich unaufhaltsam durch die Zeltwand bohren. Mal geweckt durch bollernde Hitze, mal durch zartes Licht, begleitet von neuen Gerüchen, leisen Klängen, und einem aufgeregtem, sanften Drang nach Leben. Jeder Morgen vermag auf seine Art aus dem muffigen Zelt zu locken und ich stelle fest: der frühe Vogel, der konnte mich mal. Abends dann sich einem müden, erfüllten Körper geschlagen geben und mit einer Taschenlampe in den Schlafsack kriechen. Noch eine, vielleicht zwei Seiten lesen, bevor der Schlaf kommt, im Gleichklang mit dem Mond.

Das Wechselspiel von Sonne und Mond schlägt für Finia eine Brücke in die Heimat. Der untergehenden Sonne schickt sie Grüße für die Oma mit; im nächsten Moment winkt sie dem „Herrn Mond“, wohlwissend, dass er gerade von seiner Runde zurückkehrt und uns die ihrigen mitbringt.

„Daß die Sonne morgen aufgehen wird,“ so einst Wittgenstein, „ist eine Hyphothese und das heißt: wir wissen nicht, ob sie aufgehen wird.“ Das gleiche mag für ihr Untergehen gelten. Doch während unserer Zeit in Neuseeland tut sie beides. Mit unerschütterlicher Regelmäßigkeit, in atemberaubender Schönheit.

 

 

In diesem Sinne, liebe LeserInnen, verabschieden wir uns ins Zelt, im Hier und Jetzt in Europa, um nach einer Sommerpause am 18. August gemeinsam mit den Tatort-Kollegen zurück zu kehren. Mit viel Eis im Bauch und vielen neuen alten Geschichten von Neuseeland und Australien in Kopf, Herz und Fingern.

Lasst es Euch gut gehen, genießt die Sonne und gehabt Euch fein!

F und O und f 

 

PS: Weil es so schön hier ist und ja der Moment vor der Retrospektive kommt, gibt es die nächste Geschichte erst am Sonntag, den 25. August. Dann aber dann…

Es gruessen, ohne Scharf-S und Umlaut, doch sehr herzlich:

F und f und O

 

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