XXIX. Das Mädchen mit dem bunten Kasten

"Das Mädchen und ihr Fernseher"
Februar 16th, 2014
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Ein Rückblick auf unseren zweiten Abend hier in Neuseeland. Wir sind in dem Hostel mit der muffigen Satinwäsche, mit den Kaugummi- und Kondom-Automaten im Flur und mit den netten Gastgebern, die uns das ruhigste Zimmer am Ende des Korridors gegeben und abends noch einmal nach uns geschaut haben. Ob wir uns wohl fühlen, ob wir noch etwas brauchen. Spielzeug vielleicht? Er ist ehemaliger Scharfschütze aus Südafrika, sie hat eine Offizierslaufbahn hinter sich. Jetzt möchten Sie nur noch ihr Hostel.

Ihre Tochter ist sechs. Sie wohnt mit im Hostel. Ihr Zimmer geht von der großen Gemeinschaftsküche ab, in der jede Nacht bis in die Puppen gekocht, gelacht, getrunken wird. Ein Klavier steht in der Küche, eine Stereoanlage daneben. Die Raucherterrasse liegt vor dem Fenster des Mädchens, die Zimmertür sind verzierte Perlenfäden, die jedesmal leise den Boden im Wind streifen, wenn jemand die Küchentür öffnet. Wenn sie ihrem Vater begegnet, streicht er ihr sanft über die Haare.

Das Mädchen sieht unsere Tochter und freut sich. Selten kommen Kinder her, sagt es. Wir fragen, ob sie mit uns unser Clown-Spiel spielen möchte. Sie möchte nicht, sie schaut zu und ich schaue auf ihre zarte Schläfe, an der man die gleichen feinen blauen Äderchen durchschimmern sieht, wie bei unserer Tochter. Dann verschwindet sie durch die Perlenfäden in ihrem Reich. Später kommt sie wieder und nimmt Finia an der Hand mit. Ich schiele durch die Fäden. Auf ihrem Bett liegt ein Opa. Er hält den Controller einer  X-Box in der Hand, starrt auf den Fernseher. Freundlich lächelt er den Mädchen zahnlos zu, dann spielt er weiter. Die Mädchen setzen sich neben ihn auf die Bettkante und schauen ihm dabei zu, wie er auf den Kasten schaut.

Finia kommt wieder durch die Fäden zurück und möchte weiter Clown-Spiel spielen. Während sie ihre Papp-Karten behutsam vor sich auf den Tisch legt, kehrt das Mädchen zurück. Es hält einen großen Malkasten in beiden Händen. Darin Pastell- und Wasserfarben, Buntstifte, Kreiden, Filzmaler und Wachsblöcke. Nur der eine Bleistift sieht etwas benutzt aus.

Sie hält den Koffer Finia hin und sagt: „For you.“

Finia strahlt, ich protestiere vorsichtig. Den brauche sie doch selber? Und so lieb ihr Geschenk sei – wir hätten auch Farben dabei und so viele Koffer, dass wir sie schon fast nicht mehr zählen könnten.

„But I don’t need it“, sagt sie. “I’ve got a TV.”

 

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