Der Automat spuckt Fabians Credit-Karte wieder aus. Meine, lässig gezückt, ebenso. Schweißausbrüche. Es ist immer noch mitten in der Nacht. Finia will immer noch frühstücken. Also muss die EC-Karte her, wen interessiert schon die Auslands-Gebühr, wir ham’s ja dicke…
Frühstück gibt’s schließlich im Pub. Bagels mit irgendwas, heiße Schokolade für Finia, starken Tee für uns. Andächtig lassen wir münzgroße Kandiszucker-Stückchen in unsere Tassen fallen. Viele davon. Wie verlorene Hühner sitzen wir Seite an Seite an Seite auf einer verblichenen Lederbank und blicken durchs Fenster in die Nacht. Regentropfen kullern langsam, ihren eigenen Bahnen folgend, an der Scheibe herunter. Wir rühren in unseren Tassen, bis es nichts mehr zu rühren gibt.
Während es allmählich Tag wird, geschieht etwas wahrlich Wunderbares: Es hört auf zu regnen. Und die Sonne geht auf. Wir werfen die Asien-Pläne über Bord, Fiji gleich mit (wäre eh mangels Impfungen gescheitert) und gewöhnen uns an den Gedanken, tatsächlich drei Monate hier in Neuseeland zu sein. Wir treten hinaus auf die Straße, alles glitzert, alles glänzt, die Luft schmeckt nach Meer und nach Benzin und ich denke für einen Moment: ja, es stimmt. Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.
Wir beschließen, uns bald auf die Reise zu machen. Ein Auto haben wir – von meiner ehemaligen Gastfamilie aus High School-Tagen. Einen alten Holden Vacationer, Baujahr ’87. Moos auf dem Dach. Moos am Kofferraum. Moos IM Kofferraum. Ein Kleiderbügel als Radioantenne. Unser Vacationer! Wir lieben ihn vom ersten Moment.
Im Kofferraum liegt, sorgsam zusammen gerollt, ein altes Zelt. „Für den Notfall“, haben unsere Freunde gesagt. Was sie auch gesagt haben:„Hoffentlich ist es noch dicht.“ Wir ahnen nicht, dass wir drei Monate fast ausschließlich darin schlafen werden. Zwei Isomatten, eine Klapptischbankkombi und etwas Geschirr finden wir auch zwischen dem Moos. Als hätten sie gewusst, dass es völlig utopisch sein würde, für die wenigen Monate einen Van zu kaufen PLUS das Geld für nächtliche Campingplatzbesuche aufzubringen. Das war unser augenblauer Plan gewesen.
Wir schauen uns an. Wir lächeln. Wir fühlen uns großartig ausgestattet. Bis uns einfällt, dass wir keinen Kindersitz haben.
Auf ins „Warehouse“, ein nach Plastik stinkendes Shopping-Paradies irgendwo zwischen Baumarkt und 1-Euro-Laden. Unser Sitz der Wahl ist hellblau mit rosa Schweinen-Schrägstrich-Mäusen darauf (was die Viecher tatsächlich sind, ist bis heute war lange Diskussionsgegenstand). Außerdem erstehen wir einen Topf, ein Schneidebrett, ein Messer und ein Nassrasierer Starter-Set, denn Fabi hat beschlossen, sich das erste Mal in seinem Leben nass zu rasieren. (Er wird es noch bereuen.)
Noch bevor wir den ersten Sonnenuntergang in diesem Land erlebt haben, verlassen wir Auckland. Mit viel Gepäck und mit viel Erdnussbutter und auf der linken Straßenseite. Wir fahren in den Norden. Je nördlicher, desto wärmer ist unsere Logik und einzige Richtschnur an jeder Kreuzung, an jedem Kreisel.
So beginnen wir also, durchs Land zu tingeln. Im Vacationer. Mit Moos auf dem Dach und Erdnussbutter im Bauch. Und fürs Erste ziemlich zufrieden.